Schon früh an diesem Morgen weckte mich das Gefühl: Junge, es ist Zeit ne Stange Wasser in die Ecke zu stellen.
Es war 6:00 am Morgen und ich machte mir ernsthaft Sorgen, einen Urologen besuchen zu müssen.
Doch den anderern im Team der Lords war es in dieser Nacht nicht anders ergangen, aber der Gedanke an eine kollektive Prostataschwellung erschien mir trotz unseres
fortgeschrittenen Alters eher unwahrscheinlich. Ganz klare Diagnose: Rennfieber. Endlich war der Tag gekommen, auf den wir so lange hingearbeitet hatten.
Eine Mischung aus Freude, Spannung und Erwartung kroch durch meine Hirnwindungen. Früher als abgesprochen tauchte ich auf Burg Abgas auf.
Dort hatten wir noch am Vorabend zusammen mit Pitter von Brabenden den Racetruck bestückt ...
... und bei dem ein oder anderen Entspannungsbier die Rennstrategie besprochen.
Alles war bereit, die kurze Reise in den Hürtgenwald anzutreten.
Die Begleiteskorte, bestehend aus P.v.Brabenden und R.v.Rasenmäh, wies uns mit ihren Landstraßenstreitrössern den Weg.
Natürlich brauchten wir nicht lange, und schon nach einer 3/4 Stunde hatte wir den Renntruck mitsamt Inhalt durch die
Serpentinen der Landstraßen geschüttelt. Das ein oder andere Mal nutzten wir das Sprintvermögen unseres 2.0 Peugeout Diesel, wobei wir mit atemberaubenden 40 km/h, abenteuerlustigen, kordbehüteten Rentnern auf vier Rädern, in ihrer Demenz halfen,
das Gaspedal wieder zu entdecken. Hin und wieder konnten wir beobachten, wie die Herzfrequenz eines vor uns schleichenden ca 90 jährigen
und dessen 100 jähriger Beifahrerin so etwas wie messbar wurde. Auch mit 18 Dioptrin waren unsere Scheinwerfer im Rückspiegel
für sie nicht zu übersehen. Da waren wir nun:
Kleinhau 2006
Das Wetter an diesem Tag zeigte sich eines Kaisers würdig. Schon machten wir uns daran, die Box aufzubauen, während kurz darauf das Team Kindergeburtstag damit begann, ihr Equipment neben dem unseren aufzubauen. Sollte das ein Omen sein? Egal!
Auf der Strecke die Ideallinie zu finden war nun Aufgabe der Fahrer. Wie anspruchsvoll der Parkur in Wahrheit werden sollte, konnten Prinz Abgas und King Kubik
vor allem im untern Teilstück schon erahnen.
Doch wo blieb Freiherr von Kinnbremse? Kein Training auf dem Kreischeisen,
die Strecke ungesehen, und 1/2 Stunde vor dem freien Training kein Ton, kein Bild. Schon war Pitter von Brabenden bereit, als "Ersatz" einzuspringen als
es daran ging, sich am Bus der Rennleitung anzumelden.
Dort erhielten wir auch Gelegenheit, einen Teil der 50 Mitstreiter und deren Rennboliden kennen zu lernen.
Schon erstaunlich, was Mann aus ein paar Teilen Eisen so alles schrauben kann.
Bis zum Beginn des freien Trainings blieb noch etwas Zeit, und so genossen wir die Sonne, den in der Luft liegenden Zweitaktgeruch und das professionelle Rennambiente.
Ein Mehr an Ambiente gibt es, wenn du im nächsten Bild auf den Play-Button klickst.
Eins jedoch stand schon fest: Wir hatten bei Weitem die besseren Boxenluder:
Doch zurück zum Rennen. Kurz bevor das freie Training beginnen konnte, trudelte Freiherr von Kinnbremse doch noch rechtzeitig in der Box ein.
Auch das Kreischeisen wartet nicht mehr länger auf seinen Einsatz.
In den Streckenlautsprechern krächzte etwas. Niemand hätte behaupten können, dass er verstanden hätte, was
dort aus den Schalltrichtern den Weg in die Gehörgänge der Anwesenden suchte.
Aber es war, als hätte der liebe Gott in ein Wespennest gestochen, überall kreischten 50cm³ um ihr Leben als gäb es kein Morgen.
50 Mofas eroberten die bis dahin gesperrte Strecke und ließen die 2 Takt geschwängerte Luft nach Syntetiköl, Benzin und Zaubermitteln der Petrochemie schmecken.
Begeisterung machte sich breit. Das Eisen lief wie der Teufel an Ostern und das ein oder andere Genital
prägte sein Angesicht in die lackierten Kraftstofftanks. Immer schneller wurden die Runden. Die Anfangs 4 Minuten schrumpften
mit jeder Runde! Wahnsinnige 2 Minuten 34 standen später in der offiziellen Zeitnehmer-Wertung.
Der 5. Platz nach dem freien Training war mehr, als wir zu träumen gewagt hatten. King Kubik hatte sich durch die
20 Kilo leichtere Konkurrenz gepflügt und machte Hoffnung auf den weiteren Rennverlauf.
45 Teams hatte er den Auspuff gezeigt und die restlichen 4 würden wir im Rennen den Staub von Kleinhau schlucken lassen.
Das Kreischeisen und seine Reiter hatten das Podest in den Bereich des Möglichen gerückt.
Doch was auf uns wartete, waren harte vier Stunden, die es für Mensch und Maschine zu überstehen galt.
Das Kreischeisen zeigte bis dahin keinerlei Probleme, die Kondition seiner Fahrer war, na ja, als gut zu bezeichnen.
Das Rennen konnte beginnen, wir waren gerüstet und zum Äußeresten bereit!
Es ging auf zum Start, an dem wir feststellen mussten, dass nicht alles im Leben gerecht ist.
Die Platzhirsche von Kleinhau wollten das Feld wegen der lahmenden Konkurrenten von hinten starten lassen.
Soll heißen: Die Lahmsten der Lahmen standen in der Reihe ganz vorne. Was ein Scheiß, aber mein Gott, diese Loser hatten
wir schon ein paar mal hinter uns gelassen. 4 Stunden sollten reichen, um denen zu zeigen, wo sie hin gehörten.
Also hin zur Einführungsrunde und zum anschließenden LE MANG Start.
Am Start machte sich dann das Fehlen von Andi Anschub stark bemerkbar. Das Eisen lässt sich nunmal nicht von jedem ins hintere Ende drücken.
Mit reichlich Verspätung ging es in die erste Kurve. Doch King Kubik verstand es mit Wahnsinn und Können, die Platzierung Runde um Runde zu verbessern.
Klick the Play-Button um das Video von der Aufholjagd anzugucken.
Als nächster kämpfte sich Prinz Abgas durch das Feld derer, die niemals auch nur den Hauch der Hoffnung gegen uns zu haben schienen.
Die Staubgischt ließ die behelmten Gesichter am Hinterrad des Kreischeisens ergrauen, war es vor Erfurcht, war es Angst oder einfach dieser sich in alle Ritzen setzende feingemahlene Humusboden?
Freiherr von Kinnbremse zog es nun auf die Strecke und schon bald war das Kreischeisen im bergigen Parkur Kleinhau´s verschwunden.
Anfangs war das Team nicht allzu verwundert, dass die teameigene Stoppuhr eine 3 am Anfang zeigte, doch
als dort die 4 Minuten überschritten waren, wurde es doch etwas unruhig. Weit und breit kein Freiherr zu sehen.
Earl von Toya sichtete ihn zuerst. Der Freiher hatte von Motorkraft auf Muskelkraft umgeschaltet und das Eisen um den halben Parkur
geschoben. Die Bewegungen in der Goretexrüstung ließen ihn dabei aussehen, als hätte ihm der Feind gerade die Lanze in das Gemächt gehauen. Mit Hilfe der anderen im Team erreichte F.v.Kinnbremse endlich die Box. Was war passiert?
Das Kreischeisen machte einen wesentlich unbeschädigteren Eindruck als der Freiherr.
Die Boxencrew machte sich schnell aber unaufgeregt an die Fehlersuche, der Freiherr auf die Suche nach dem Sauerstoffzelt. Schnell war die erste Diagnose gestellt. Sprit genug, abgesoffen, Zündkerze nass, Zündung ok, Luftfilter zu.
Es war tatsächlich die mit Feinstaub angereicherte Luft, die den Luftfilter nach kürzester Zeit den Dienst quittieren ließ. Schnell mit Druckluft ausgeblasen, ein frischer Fahrer, und die Hatz konnte weitergehen.
Der 12. Platz war futsch, aber das Eisen weiter im Rennen.
Für mehr, klick wieder the Play-Button unten auf dem Bild.
Der Kampf durch die sich lichtenden Reihen wurde nicht leichter. Doch schon bald schickte der Transponder des Eisens
als 21ter im Felde seine Signale zur Impulsschleife des Zeitnahmebusses. Schon in der nächsten Runde sollte der Transpondercode
verstummen. Hier der Boxenbericht von Graf Fit:
"Super, die Hälfte der Zeit hatten wir ja geschafft, die Hälfte des Starterfeldes hinter uns gelassen und noch 2 Stunden um den Sieg zu erringen.
Die Taktik, bei jedem Boxenstop Fahrer und Luftfilter zu wechseln, machte sich in den Rundenzeiten kaum bemerkbar.
Das Händy klingelt. Andy von Anschub? Bei all dem Zweitaktlärm ist er nicht gerade leicht zu verstehn und mein alter Knallschaden
von der Testfahrt ohne Auspuff tut sein Übriges, ihn nicht zu verstehn. Wie? Wir sollen das Eisen holen? Kaputt? Kolbenfresser?
Was? Wie läuft noch? Der Prinz läuft nicht mehr (Faule Sau! Freiher v. Kinnbremse hat auch geschoben!) Kaputt? Wer?
Knie Kaputt? Rotes Kreuz? So´n Scheiß. Scheiße, echt. Keine Verarsche? Ja ok, wir kommen."
Mehrere Augenpaare hinter Sonnenbrillen starren auf mich als sie meine letzten Worte hören. Ich verspüre nur ein mulmiges Gefühl im Magen und ein dumpfes Ziehen im linken Bein. Aua.
Prinzessin Abgas ist die Erste, die sich auf den Weg aus der Box zur Unglücksstelle macht. Schon bald ist klar, was passiert war.
Die erste Diagnose verhieß nichts Gutes. Gebrochen schien nichts, das Kniegelenk hatte den Mix aus Torsions- und Schwerkräften
mit dem Versagen sämtlicher Bänder quittiert. Wieder einmal war das Kreischeisen härter als einer der Fahrer gewesen.
Dass am Ende der 34 Platz raus sprang, war dann nur noch wenig von Interesse.